Hey Leute, diese Geschichte muss ich erst einmal schnell schreiben, die mir bei einem Feiertags-Mittagsessen mit der Familie eingefallen ist, als wir über das Schulsystem im allgemeinen und über einige Probleme in der Schule im besonderen sprachen. Sie ist eigentlich witzig, aber gleichzeitig bemerkt man eine fast schon „dramatische“ Entwicklung. Also: Vor ca. 6 Jahren saß ich mit 2 Lehrern und einer anderen Mutter in einer Besprechung wegen allgemeiner Klassengeschäfte in dieser 7. Klasse. Ein Punkt war den beiden Klassenlehrern sehr wichtig, nämlich, dass die Schüler*innen möglichst immer eine Uhr tragen sollten.
Aber – wer trägt heute noch eine Uhr – in Zeiten von Handys?
Uns wurde der Grund für diese Bitte damit erklärt, dass mehrere Kinder – insbesondere während der Klassenarbeiten – ständig danach fragen würden, wieviel (Arbeits-)Zeit sie noch hätten. Zu diesem Zeitpunkt stand ich wohl gleichzeitig auf allen meinen mir zur Verfügung stehenden Leitungen und drehte mich intuitiv nach der Klassenuhr um. Diese hing, wie schon seit Jahren, deutlich für jeden sichtbar, oberhalb der Tafel und schien offensichtlich auch völlig intakt zu sein. Da sich mir deshalb das angesprochene Problem nicht offenbarte, erkundigte ich mich vorsichtshalber, was ich nicht verstanden hätte. Daraufhin erklärte mir eine der beiden Klassenlehrer mit ernster Miene, dass einige Schüler*innen die Uhr nicht lesen könnten. Auf der Stelle brach ich, im Nachhinein betrachtet, in ein sehr unangebrachtes, herzhaftes Lachen aus, weil ich diese Antwort glatt für einen mehr oder weniger gelungenen Scherz hielt. Die beiden Klassenlehrer erkannten ad hoc meine völlige Ahnungslosigkeit und wiesen mich darauf hin, dass es sich bei dem Zeitmesser an der Wand um eine analoge Uhr handeln würde.
Das Phänomen einer analogen Uhr
Zum fast bedauernswerten Leidwesen der Klassenleitung, rutschte bei mir – trotz dieses Hinweises – weder der Groschen, noch erleuchtete die Weisheit der Erkenntnis meine Hirnwindungen. Eigentlich halte ich mich ja für eine Frau, die ziemlich auf „Zack“ ist und eher selten unter Begriffsstutzigkeit dieses Ausmaßes leidet. Jedoch schien in dieser Situation mein Gehirn einfach die Problematik nicht erfassen zu können oder zu wollen. Innerlich war ich nämlich immer noch auf die Auflösung „Das ist ein Witz!!“ programmiert. Das führte in der Konsequenz dazu, dass ich wieder lachen musste und darauf verwies, dass wir doch in einer 7. und nicht 1. Klasse sitzen würden. Nur zur Erinnerung: Das war 2015!!
Wie sieht es mit der Allgemeinbildung bei den Schüler*innen aus?
Die Lehrer sahen sich an diesem Punkt schließlich genötigt, mir die Wahrheit knallhart ins Gesicht sagen zu müssen, da sie ahnten, dass ich es anderenfalls offensichtlich nicht verstehen würde. Wie sich also herausstellte, können tatsächlich etliche Kinder, und ein Teil der Eltern übrigens ebenfalls, die analoge Uhr NICHT mehr lesen. Was soll ich sagen? Ich war fassungslos! Als dann die andere Mutter anfing zu kichern und anmerkte, dass ihr Sohn sicherlich auch zu diesen Kindern gehören würde, fiel ich fast vom Stuhl. Was daran witzig sein sollte, hat sich mir – offen gestanden – bis heute nicht wirklich erschlossen.
Die Lehrer*innen können einem manchmal richtig leid tun
Dass dieser Tagesordnungspunkt aufgrund meiner diesbezüglich sehr ausgeprägten Begriffsstutzigkeit, einen solchen Zeitrahmen in Anspruch nahm, tat mir schon etwas leid, aber ich konnte endlich nachvollziehen, warum den Lehrern das Tragen einer Uhr so wichtig war. Es stört und nervt natürlich sehr, wenn während der Konzentrationsphasen, z.B. während der Klassenarbeiten, die Schüler*innen solche „unnötigen“ Fragen nach der restlichen Arbeitszeit stellen.
Diese Anekdote zeigt allerdings ganz nebenbei ein durchaus eklatantes Problem im Erziehungssystem auf. Zum einen wird deutlich, dass noch zahlreiche, weitere Kompetenzen, die zum Leben einfach dazugehören, nicht mehr vom Elternhaus vermittelt werden.
Schleife binden ist auch nicht mehr modern?
Das Thema „Uhr lesen“ ist ja nur EIN exemplarisches Beispiel stellvertretend für das Binden einer Schleife, Schreibschrift vertiefen, Lesen und Schreiben üben, etc., etc.. Die Erzieher*innen in den Kitas und die Lehrer*innen können das im normalen Schul-Alltag aus Zeitgründen und wegen fehlender Ressourcen nicht alles den Kindern alleine vertiefend beibringen. Aus meiner Sicht gehören diese Kompetenzen zur normalen und guten Allgemeinbildung und sind auch nicht so schwierig zu begreifen. Bin ich nur altmodisch (was ich natürlich nicht wirklich glaube) oder sind diese Fähigkeiten heute völlig überflüssig?
Ich kann nur sagen, wer die analoge Seite des Lebens kennt, ist doch klar im Vorteil, oder? Eure Claudia ….. Cl.R.
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